1. Auflage 1993 512 Seiten mit zahlr. Fotos und Abb.
ISBN: 978-3-7844-2459-0
25,00 EUR* D
/ 25,70 EUR* A
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Die aus heutiger Sicht entstandene, kenntnisreiche Biographie des Verlegers Albert Langen (1869-1909)
Die Literaturwissenschaftlerin Helga Abret macht in ihrem großangelegten, flüssig und pointiert geschriebenen Werk deutlich, daß Langen in seinem Buchverlag, im Gegensatz zu seinen Kollegen um die Jahrhundertwende, stets innovativ, bereits im heutigen Sinne modern-marktorientiert agierte und seinen Programmen eine europäische Ausrichtung gab. Die von ihm initiierten illustrierten Zeitschriften „Simplicissimus” und „März” waren beispiellos in der wilhelminischen Presselandschaft. Ein Buch für Leser außergewöhnlicher Biographien sowie für jeden an Kultur-, Literatur- und speziell Verlagsgeschichte Interessierten.
Klappentext
Die Weltstadt Paris zog Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Aussteiger in ihren Bann. Zu ihnen gehörte der wohlhabende rheinländische Industriellensohn Albert Langen (1869-1909). Er wollte sich in Paris zum Maler ausbilden lassen, spielte dann mit dem Gedanken, eine Kunsthandlung zu eröffnen, doch al der S. Fischer Verlag Knut Hamsuns „Mysterien” ablehnte, beschloß er, Verleger zu werden. Am 1. Dezember 1893 verkündete eine Annonce im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel”, daß sich der soeben in Paris gegründete Kunst- und Literaturverlag Albert Langen darum bemühen werde, talentvolle Skandinavier sowie Franzosen dem deutschen Publikum zugänglich zu machen.
Franzosen und Skandinavier gaben dem Verlag in den ersten Jahren tatsächlich sein Gepräge, doch gesellten sich zu ihnen bald deutsche Autoren: der erste war Frank Wedekind. Auch ein kleiner russischer Programmsektor wurde mit Hilfe des baltendeutschen Lektors Korfiz Holm aufgebaut. 1895 siedelte der Verlag nach einem Intermezzo in Leipzig nach München über, jener Stadt, die um die Jahrhundertwende wie keine andere in Deutschland Schriftsteller und Maler anzog. Sofort erregten die von Langen herausgegebenen Bücher auf dem deutschen Buchmarkt durch ihr „individuelles Gewand” Aufsehen: broschierte Bände mit farbigen, von namhaften Künstlern gestalteten Umschlägen.
In München heiratete Langen im März 1896 Dagny Björnson, die Tochter des norwegischen Schriftstellers Björnstjene Björnson. Im April desselben Jahres startete der junge Mann ein illustriertes satirisches Wochenblatt, den „Simplicissimus”. Von Anfang an stand dieses schärfste und witzigste Organ der Kaiserzeit in permanentem Konflikt mit der Obrigkeit. Als die Zeitschrift am 28. Oktober 1898 die pompöse Orientreise des Kaisers persiflierte, leiteten die sächsischen Behörden ein Majestätsbeleidigungsverfahren ein. Eine glänzende Reklame für den „Simplicissimus”, doch Langen musste aus Deutschland fliehen, um einer Verhaftung zu entgehen. Über vier Jahre steuerte er von Paris aus seinen Verlag und seine Zeitschrift „fern” - ein nicht immer einfaches Unternehmen.
Im Exil reifte die Idee zu einer weiteren Zeitschrift. Aufbauen sollte sie sein, die demokratischen Kräfte sammeln, die deutsch-französische Verständigung fördern und zu einem Sprachrohr all derjenigen werden, die an eine europäische Völkergemeinschaft glaubten. Die Halbmonatsschrift, deren erste Nummer am 1. Januar 1907 erschien, trug den hoffnungsfrohen und tradtitionsträchtigen Titel „März”.
Albert Langen starb im Frühjahr 1909. Der kaum Vierzigjährige hinterließ ein bedeutendes, wenn auch nicht abgeschlossenes „Werk”: zwei Zeitschriften, die beide auf ihre Art in der wilhelminischen Presselandschaft ihresgleichen suchten, dazu einen Buchverlag, der sich rühmen konnte, zu den innovativen Häusern um die Jahrhundertwende zu zählen. Der Buchverlag sollte ein allen modernen zeitgenössischen Strömungen offenes Haus sein. So spiegelt das Verlagsprogramm den Stilpluralismus, der die Literatur um die Jahrhundertwende charakterisierte, besonders deutlich wider. Die „Offenheit” erklärt aber auch das „gemischte Programm”, in dem Spreu und Weizen nicht selten vermengt waren. Aus der Vielzahl der von Langen verlegten deutschen Autoren ragen drei Schriftsteller hervor: Heinrich Mann, Frank Wedekind und Ludwig Thoma. Die Liste der skandinavischen Autoren führen Björnstjerne Björnson, Knut Hamsun und Selma Lagerlöf an. Was den französischen Programmsektor betrifft, so war Langen der erste Verleger, der moderne Autoren wie Henry Becque, Anatole France, Octave Mirbeau u.a. in deutscher Sprache herausbrachte. Die Verkaufsergebnisse waren freilich so katastrophal, daß er bald auf französische Unterhaltungsliteratur umstieg. Die Bücher von Marcel Prévost zum Beispiel bildeten jahrelang das Rückgrat des Verlages.
Das vorliegende Buch zeichnet Leben und Werk eines der profiliertesten Verleger um die Jahrhundertwende nach. Persönliche und öffentliche Sphäre sind in dieser Biographie besonders eng verflochten. Familien- und Verlagshistorie, Literatur- und Zeitgeschichte verweisen aufeinander und erhellen sich gegenseitig.
Temperament und Charakter prädestinierten Langen zum Vermittler, extreme Positionen waren ihm fremd. Herkunft und Lebensweg trugen dazu bei, aus diesem neugierigen, aufgeschlossenen Mann einen grenzüberschreitenden Vermittler zu machen. Mehr als die Hälfte seines kurzen Lebens hat Langen im Ausland verbracht: in Italien, in Norwegen, vor allem aber in Frankreich. Von diesen Auslandsaufenthalten brachte er eine Vielzahl von Anregungen und Ideen in seine Heimat mit. Langen war also nicht nur Verleger, sondern einer der vielen „Grenzgänger”, die in einer Zeit wachsender nationaler Spannungen nicht an Erbfeindschaft und unüberwindliche Gegensätze zwischen Menschen und Völkern glauben wollte. Er war ein „Pionier, der Brücken geschlagen hat, hoch hinweg über die nationalen Grenzen und über internationale Vorurteile.” Nicht zuletzt möchte dieses fesselnde Buch auf diese Brückenfunktion hinweisen, die Albert Langen im Kulturtransfer zwischen Deutschland, Frankreich und den skandinavischen Ländern eingenommen hat.
Über die Autorin / über den Autor
Prof. Dr. Helga Abret, geboren in Breslau, lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Metz. Buchpublikationen und Zeitschriftenbeiträge über die Prager deutschsprachige Literatur, über Albert Langen und den Simplicissimus-Kreis sowie über utopische Literatur der Jahrhundertwende und aktuelle Science-Fiction.